Indem sich der Dichter nach diesem Grundsatz
richtet, folgt er dem Rat seines Herzens :
"iedoch so ratet mir daz herze min,
solde ich minnen mer dan eine,
daz enwaere mir niht. guot :
sone minnet ich deheine."
(MF 86,4 - 7).
Der Schalk sitzt dem Dichter im Nacken, wenn er in diesem
Zusammenhang sagt :
"an vröiden ich des dicke schaden han."
(MF 86,3).
Er hat ja freiwillig vor Gott geschworen, seiner Herrin
ewig treu zu bleiben, also kann er diese Worte nicht ernst gemeint haben.
Vielmehr sehe ich darin ein Zeugnis des Johansdorfschen
Humors.
Von seiner Minne erwartet er, dass sie auf Gegenseitigkeit
beruht.
Diese Bedingung findet in der Frauenstrophe MF 94,35
ihre schönste Erfüllung.
So wie Albrecht sich immer wieder bittend an Gott wendet,
er möge der Herrin seinen Schutz gewähren, so bittet die Herrin
am Schluss des Liedes MF 94,15 , Gott möge sich des
Ritters annehmen und ihn vor allen Gefahren des Kreutzzuges
schützen.
Sowohl im direkten Gespräch (MF 87,13 - 20), als
auch im Wechsel (MF 94,35 - 95,15) lässt Albrecht von Johansdorf
die Dame zu Wort kommen.
Während Friedrich von Hausen den inneren Konflikt
zwischen Gottesdienst und Minnedienst allein aus der Sicht des Kreuzfahrers
darstellt, hat bei Albrecht von Johansdorf auch die Frau vollen Anteil
am Trennungsschmerz. Ja, sie trägt fast noch schwerer an ihm.
Der Ritter findet als Streiter Gottes eine neue, lohnenswerte
Lebensaufgabe; die Herrin aber muss in quälender Ungewissheit zurückbleiben
:
"lebt min herzeliep, od ist er tot"
(MF 95,13).