4. Gottesdienst und Minnedienst in den Kreuzzugsliedern Rubins

Fassen wir nun die Interpretationsergebnisse der Kreuzzugslieder Rubins unter dem Aspekt "Gottesdienst und Minnedienst" zusammen  und vergleichen wir sie mit den Interpretationsergebnissen der Lieder der anderen Dichter, so lassen sich Gemeinsamkeiten und Unterschiede aufzeigen.
Die Ausgangssituation ist bei allen Dichtern identisch, so daß sich in den Liedern die gleichen Motive ergeben. Der Aufruf zum Kreuzzug stellt auch Rubin vor die Entscheidung von "varn" und "beliben" und veranlaßt ihn zu dialektischen Betrachtungen« Es gilt, eine Entscheidung zu treffen, zwischen Gottesdienst und Minnedienst, zwischen göttlichem Lohn und Verlust der Ritterehre» Ewigem und Irdischem . Wie Friedrich von Hausen, so erkennt auch Rubin die Unmöglichkeit einer Harmonisierung und zieht die letzte Konsequenz daraus : die Absage an die Minne. Anders als Friedrich von Hausen, der an einer glücklichen Wiederkehr zweifelt, freut sich Rubin auf seine Rückkehr und damit auf das Wiedersehen mit den Freunden und der Herrin«
Vor dem Aufbruch zu seiner "vart" gehorcht jedoch auch Rubin dem Postulat der Kirche, alle irdischen Bindungen zurückzulassen, daher die vorübergehende Absage an die Minne.
Daß sie sich in die traditionell-lehnsmäßige Form der Aufkündigung an die Herrin kleidet, darf nicht verhüllen, daß es um Grundsätzlicheres und Tieferes geht : um dio alte dualistische Antithese von Leib und Seele. Wie wir gesehen haben, bringt in der mittelalterlichen Literatur der sündige Leib in der Regel das Heil der Seele in Gefahr, während die Seele das Organ gottgefälligen Strebens ist. Bei Kubin (und ebenso bei Friedrich von Hausen) dagegen sind die Rollen umgekehrt als gewöhnlich verteilt.