4.   Frauenminne und Gottesminne in den Kreuzzugsliedorn Hartmanns von Aue

Die Kreuzzugslieder Hartmanns von Aue zeigen den Dichter als einen tiefreligiösen Menschen, der vollkommen im Bann der Gottesminne steht. 
Die höfisch - konventionelle Form der Kinne hat er als "van" (MF 218,22) erkannt. Diese Frauenminne ist eine Illusion, ein starres Schema von Hoffen und Entsagen, ein Schwelgen in ewig unerfüllter Hoffnung. Sie ist eine "endlose Folge von Enttäuschungen, die ein ganzes Leben zerstören und seine Sinnlosigkeit in der letzten Stunde aufzudecken vermag".1

Die Gottesminne ist für Hartmann von Aue die einzige Form der Minne, die seinem Leben einen sinnvollen Inhalt gibt. Daher fragt der Dichter nicht nach den wertmäßigen Vorrang von irdischer Minne und Gottesminne, von "amor" und "caritas", sondern er legt die wesensmäßigen Unterschiede zwischen den beiden Arten von Minne hinsichtlich ihrer Wirkungen auf ihre jeweiligen Träger dar. Der Dichter übt harte Kritik am Frauendienst; gleichzeitig weist er seinen Standesgenossen einen sinnvolleren Weg: die Liebe zu Gott.
Die Gottesminne ist kein unerfülltes Hoffen wie der "wan" des Frauendienstes. Der Dichter kann sich "rüemen" (MF 218,23), dass seine Minne auf Gegenseitigkeit beruht. Der "amor Dei" wird im doppelten Sinn als Liebe Gottes zum Menschen und als Liebe des Menschen zu Gott verstanden. Hartmann dient Gott, indem er ihm seinen "zins" (MF 2O9,37) leistet,  dafür erwirbt er von Gott "der sele heil" (MF 218,14).
Während sich der Frauendienst  in bloßer "rede" (MF 218,14) verliert, drängt der Gottesdienst zu Taten :
"ez ist geminnet, der sich dur die Minne eilenden
muoz." (MF 218,17) .

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1. Vgl. H. Ingebrand,  a.a.O.,  S. 169 !