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Minne war die Macht, die das Vorausgegangene
beherrschte, Gott soll über dem Kommenden stehen. Sowohl das Herz
als auch der Leib sollen gemeinsam auf die "vart" gehen;
das ist die Meinung des Dichters.
Die Strophe beginnt mit einem Rückblick.
Die Zeit des ständigen Werbens um die Dame hat dem
"lip" fortwährende Sorgen bereitet
("Mit grozen sorgen hat min lipf gerungen alle sine zit.").
Das Perfekt nimmt verallgemeinernd vorweg, was die Präterita
in den folgenden Versen im einzelnen berichten.
Er hatte die Minne als eine Macht kennengelernt, deren
Einfluß er vollständig (also mit Leib und Seele) ausgeliefert
war und die ihn von der "wisheit" zurückhielt.
Der Liebende war seiner selbst nicht mehr mächtig.
Er entbehrte der Unabhängigkeit in Denken und Handeln
und hatte den Sinn für die natürliche Ordnung der Dinge, die
Fähigkeit, Irdisches und Göttliches recht zu wägen, verloren.
Nicht um sein Seelenheil rang er, sondern um unbeständiges
Glück und vergängliche Freude.
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